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Willkommen in Marwen (2018)

Willkommen in Marwen (Poster)

Bewertung

„Muss man sehen“ kulturmovies

Filminhalt

Man mag diesen Film schon gleich zu Beginn. Wie kann man auch einen Film nicht mögen, in dem ein US-Captain im Zweiten Weltkrieg fünf Nazisoldaten entgegentritt – in Stilettos! Na gut, das passiert nur in der animierten Fantasie des nach einer brutalen Prügelattacke von rechtsradikalen Schlägern traumatisierten Hobbyzeichners und Army-Veterans Mark Hogancamp (Steve Carell). Aber es hat eine befreiende Wirkung, wenn eine Hollywood-Heldenpuppe in Highheels ihre Queerness als Selbstverständlichkeit verstanden wissen möchte. Hogancamp, den es wirklich gibt, hatte vor 20 Jahren in einer Bar York erklärt, dass er Crossdresser sei – woraufhin er so schwer zusammengeschlagen wurde, dass er alle Erinnerungen an sein Leben vor dem Angriff verlor. Auch Zeichnen konnte er nicht mehr. Stattdessen baute er in seinem Garten ein fiktives belgisches Dorf aus dem Zweiten Weltkrieg namens Marwen auf und bevölkerte es mit Puppen, die er fotografiert: sich selbst als Macho Man Captain Hoagie und sechs barbieartige, maschinengewehrschwingende Widerstandskämpferinnen– Puppen, die den Frauen nachempfunden sind, die ihm im Leben Halt geben: seiner Rehatrainerin, seiner Betreuerin, der Küchenkraft seiner Stammkneipe, der Inhaberin des lokalen Hobbyshops.

Marwen, die Anti-Disney-World

In dieser Anti-Disney-World lebt Mark seine Ängste und Abgründe aus; fünf fiese SS-Puppen, die ihm nach dem Leben trachten, sind dabei die Avatare seiner realen Angreifer. Doch so oft die Nazis in den nahtlos mit den realen Szenen verschmolzenen Animationssequenzen auch im Kugelhagel niedergemäht werden, sie kommen immer wieder. Verantwortlich dafür ist die Puppe Deja Thoris (Diane Kruger), die Marks Abhängigkeit von den Schmerzpillen und seine Schuldgefühle symbolisiert. Als die freundliche Nicol (Leslie Mann) gegenüber einzieht, fasst Mark Zutrauen zu ihr. Doch er kann Marwen und die echte Welt nicht wirklich auseinanderhalten … Carell spielt Mark als abgründigen Wiedergänger von Forrest Gump. Seine Störung ist durchaus verstörend, wenn er seine sexuellen und romantischen Wünsche kanalisiert, indem er Nicol in sein Puppenreich integriert und ihr Fotos davon zeigt, wie Hoagie und die Puppen-Nicol schmusen. Oder wenn er ihr ungefragt seine Vorliebe für Frauenpumps gesteht, weil er durch sie die Essenz einer Frau zu spüren vermeint. Regisseur Robert Zemeckis, seit „Falsches Spiel mit Roger Rabbit“, „Forrest Gump“ und „Der Polar-Express“ ein Pionier der Verbindung von echten Schauspielern mit computergenerierten Effekten, ist hier in seinem Element. Die CGI-Szenen drängen die Geschichte über Selbstakzeptanz und die heilende Kraft der Kunst aber nicht an die Seite, sondern dienen als Verbildlichung von Flucht und Zuflucht gleichermaßen.

Queerness, Gender und Selbstermächtigung

Einen Film wie „Willkommen in Marwen“ hätte man eigentlich vor 15, 20 Jahren gedreht: eine sentimentale Erbauungsgeschichte über einen Außenseiter, der mithilfe seiner Freunde seine sozialen Phobien und Verletzungen überwindet. In dem Sinne ist es ein altmodischer Film – dem in Amerika ein rückständiges Frauenbild vorgeworfen wurde, weil er Frauen sexualisiere und objektifiziere. Man hat dabei übersehen, das der Film auch sehr modern ist: Die Frauen in Marwen retten Marks Alter Ego Hoagie mehrfach aus der Gewalt seiner Nazipeiniger, im Showdown brüllt Mark/Hoagie dem Puppen-Obernazi entgegen: „Frauen werden die Welt retten!“ – bevor er ihm den Absatz eines Stilettos in den Hals rammt. Da verwechseln einige den Blick der seelisch versehrten Hauptfigur und seine persönliche Fantasie mit dem Blick des Films auf Frauen. Sicher ist hier nicht alles gelungen, vieles trifft ins Schwarze, manches nicht einmal die Zielscheibenumrandung. Doch in einer Zeit der Comicverfilmungen und Fortsetzungen einen Mainstreamfilm zu sehen, der Queerness, Gender und Selbstermächtigung überhaupt thematisiert und einen Macho in Manolo Blahniks zeigt – da möchte man das doch gesehen habe. vs

  • Willkommen in Marwen (Filmbild 4)
  • Willkommen in Marwen (Filmbild 2)
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