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Who Am I – Kein System ist sicher (2014)

Who Am I - Kein System ist sicher (Poster)

Bewertung

„Kann man sehen“ kulturmovies

Filminhalt

Der deutsche Genrefilm ist ein bisschen wie Frankensteins Monster: Ob Horror, Action oder Thriller – regelmäßig versucht man, ihn aus Versatzstücken des US-Kinos zusammenzusetzen und zum Leben zu erwecken. Letzte Beispiele: „Die vierte Macht“, „Stereo“. Doch das Ergebnis, wenn es auch kurzzeitig läuft, wird nie lebendig, es bleibt ein gefledderter Leichnam. So wie Baran bo Odars Hackerthriller, der fünfzehn Jahre nach „Fight Club“ immer noch auf dieselben Stilmittel setzt: wilde Schnitte, wilde Musik, wilde Protagonisten, eingefrorene Bilder, Zeitlupen und ein ermüdend ausführliches Voice-over – wenn man kaum Eigenes zu erzählen hat, lenkt man am besten davon ab, indem man den Betrachter mit vielen akustischen und visuellen Spams die Sinneseingänge verstopft. Tom Schilling ist Benjamin, der gerne ein Superheld wäre. Da dies aus nachvollziehbaren Gründen nicht möglich ist, schließt er sich der Gruppe um Hacker und Macker Max (M’Barek) an – einer Szene, die Odar inszeniert wie sich amerikanische Kinogänger der 90er exzessiven Hedonismus vorstellten: saufende, koksende, dauernd „Fuck“ ausrufende, im geklauten Porsche den nackten Arsch raushängende Freaks.

„Who am I“ schreit permanent seine Wichtigkeit und Bedeutung heraus

Die Programmierfähigkeiten der Hacker bleiben eine Behauptung, das virtuelle, von Algorithmen definierte Web verharrt bei Odar in einer vordergründigen visuellen Idee: Das Darknet, in dem Benjamin und Co. sich rumtreiben, ist eine düstere vollgetaggte U-Bahn, in der sich Gestalten mit Guy-Fawkes-artigen Masken im Stroboskoplicht der flackernden Beleuchtung Pakete mit geheimen Daten übergeben, wie auf einer Geburtstagsparty von okkulten Undergroundkarnevalisten. Dass Hacker in Zeiten von Wikileaks auch einer politischen Agenda folgen und nicht nur aus Geilheit auf Zuspruch das LKA infiltrieren (wo übrigens nachts keiner arbeitet!) – den Film interessiert ausschließlich der Party-Anarcho-Aspekt des Hackerlebens. Benjamin und seine Freunde geraten bald ins Visier von Europool und der russischen Cybermafia und müssen nicht nur um ihre Anonymität, sondern auch um ihr Leben fürchten. Postingmanie, Sucht nach Klicks und Likes, das machtvolle Cyber-Ich als Ersatz für ein mickriges reales, die daraus entstehende Schizophrenie: Der Film überwindet seine Zwischentöne wie Julian Assange eine billige Firewall und beweist seine Hybris mit zwei vermeintlich supercleveren Wendungen, die sogar die Auflösung vom „Fight Club“ toppen sollen. „Who am I“ schreit permanent seine Wichtigkeit und Bedeutung heraus und ist doch nur hohl und leer wie ein ausgeschlachteter PC-Bildschirm, eine ermüdende Exzerzitie in Redundanz und Erwartbarkeit, laut wie ein Kanonenschlag, hektisch wie ADHS, bunt und sättigend wie Ahoi-Brause. Vielleicht ist der deutsche Genrefilm kein Monster. Sondern ein Zeitreisender, der durch einen technischen Fehler an der Maschine fünfzehn Jahre in der Vergangenheit festsitzt. (vs)

  • Who Am I - Kein System ist sicher (Filmbild 2)
  • Who Am I - Kein System ist sicher (Filmbild 3)
  • Who Am I - Kein System ist sicher (Filmbild 4)
  • Who Am I - Kein System ist sicher (Filmbild 5)
  • Who Am I - Kein System ist sicher (Filmbild 8)