Walchensee Forever (2019)

Frauen aus fünf Generationen legen ihr Leben offen: Der eindringliche Dokumentarfilm Walchensee forever handelt von diesen fünf Töchtergenerationen in einem Ausflugscafé am bayerischen See. Dass Regisseurin Janna Ji Wonders wuchern kann mit Bildern und Filmen aus 100 Jahren Lebenszeit, liegt an der künstlerischen Ader der Frauen. Apa, die 1920 von einem anderen See an den Walchensee zog, nachdem eine Tochter an der spanischen Grippe gestorben war, ist die Urmutter dieses Films. Ihre Tochter Norma starb erst vor wenigen Jahren – sie wurde 105. Normas Töchter Anna und Frauke lernten durch ihren Vater, der die Technik in die Familie brachte, schon bald mit der Kamera umzugehen, und so entstand im Lauf der Zeit ein beeindruckendes Bildarchiv. Hinzu kommen viele lange Briefe einer schreibmächtigen Familie, die den eindrücklichen Bildern inhaltlich standhalten können.

Walchensee forever: Fünf Frauengenerationen

Janna Ji Wonders ist Annas Tochter und hat nicht nur dieses Material zu einer intensiven Montage verwoben, die den Themen geschuldete Zeitreisen vollbringen. Die Dominanz von Apa wird herausgearbeitet, der Normas Mann in den 1950ern nicht gewachsen war und der deshalb seine Frau verließ. Annas und Fraukes Befreiungsreise als Musikerinnen in die USA und nach Mexiko, wo sie in den 1960ern Konzerte mit bayerischer Musik gaben, Drogen ausprobierten und selbständig wurden. Sie wenden sich beide fernöstlichen Religionen zu und gehören zum engeren Zirkel um Rainer Langhans und seine Kommune. Für Anna ändert sich das Leben, als Frauke bei einem Autounfall ums Leben kommt. Frauke hatte schon lange psychische Problem und nahm sich wohl das Leben.

Walchensee forever: Männer stehen am Rande

„Walchensee forever“ zeigt kaum Männer, Rainer Langhans ist mit ganz wenigen kurzen Wortbeiträgen die große Interviewausnahme. Der Fokus liegt ganz auf den Frauen, die, obwohl sich das Leben ja in einer von Männern geprägten Zeit abspielt, sich dadurch im Film ganz entfalten können – etwas, das sie sich im Leben immer wieder neu erkämpfen mussten. Auch Jannas Vater, ein US-Amerikaner, kommt im Film nur am Rand vor. Am Ende der Doku kriegt sie selbst ein Kind – erneut eine Tochter!

Walchensee forever ist ein ruhiger Film. Er ist intelligent, bildmächtig, sinnlich und trotz vieler Ausflüge in fernöstliche Religionsgefilde ein sehr diesseitiges Gesellschaftspanorama.

Jürgen Wittner