Victoria (2015)
- Originaltitel Victoria
- Regie Sebastian Schipper
- DarstellerInnen
- Buch Sebastian Schipper
- Entstehungsjahr 2015
- Land Deutschland
- Filmlänge 138 min
- Filmstart 11.6.2015
- FSK 12
- Genres
Bewertung
Filminhalt
Klischeehaft und innovativ, erwartbar und anarchisch, chaotisch und ungezähmt, überlang und herrlich endlos: Sebastian Schippers urbanes Party- und Gaunerdrama ist vieles zugleich, aber vor allem: der aufregendste deutsche Film der letzten Jahre. Die Geschichte ist einfach: Die spanische Arbeitsmigrantin Victoria (Laia Costa) jobbt in Berlin und läuft beim Solo-Clubbing der Jungstruppe aus Sonne (Frederick Lau), Boxer (Franz Rogowski), Blinker (Burak Yigit) und Fuß (Max Mauff) in die Arme, die ziellos durch Berlin driften. Victoria lässt sich anquatschen – und erlebt die Nacht ihres Lebens. Die fünf feiern, reden, trinken, hocken auf Berliner Dächern und taumeln einem Sonnenaufgang entgegen, der eine böse Überraschungen für sie bereithält. Boxer steht nach einem Knastaufenthalt bei einem Gangster in der Kreide, und der will seine Gegenleistung – jetzt … Das Sensationelle an diesem rastlosen Film ist das Wie: Schipper hat „Victoria“ in einer (!) einzigen Einstellung drehen lassen. 140 ungeschnittene Minuten lang folgt die Kamera von Sturla Brandth Grøvlen den Schauspielern, die ihre Dialoge auf der Grundlage eines zwölfseitigen Drehbuchentwurfs improvisieren, an 22 Schauplätze, wo sie minutiös aufeinander abgestimmt auf Komparsen und andere Darsteller treffen.
„Victoria“ trifft einen zwischen Herz und Bauch
Atemloser war Kino wohl seit Jean-Luc Godards „Außer Atem“ nicht mehr! Als Zuschauer fühlt man sich durch die aus dem Zentrum der Handlung heraus filmende Kamera wie eine sechste Person – und alles, was Sonne, Victoria und Co. erleben, Gutes, Blödes, Schlimmes, Plötzliches, das trifft einen mit derselben Wucht wie sie, dort, wo Filme am meisten wirken: irgendwo zwischen Herz und Bauch. Man kann kritisieren, dass der Film öfter Gefahr läuft, zum reinen cinematographischen Stunt zu werden, dass es auf die Dauer nervt, dass alle mit Victoria gebrochenes Englisch sprechen (müssen), dass die originelle Form des Films keine Entsprechung findet in der konventionellen Handlung. Aber das alles ist nichts gegen die Leistung von „Victoria“. Denn näher am Leben, näher an dem, was das Kino im Kern ausmacht – Wahrhaftigkeit, Bewegung, Unmittelbarkeit, Emotion –, war lange kein Film mehr. Aus Deutschland schon gar nicht. (vs)