Una und Ray (2016)

In einer gepflegten Siedlung sitzt ein Mädchen auf einer Bank und betritt kurz darauf, einen verstohlenen Blick über die Schulter werfend, das Grundstück der Nachbarn. Schnitt. Laute Musik, eine junge Frau im zuckenden Stroboskoplicht eines Nachtclubs. Nach schnellem Sex auf der Toilette kehrt sie am frühen Morgen nach Hause zurück. Dorthin, wo anfangs das Mädchen zu sehen war … Schon mit seinem leicht entrückten Einstieg erzeugt das Psychodrama, das auf dem Theaterstück „Blackbird“ basiert, ein diffuses Unbehagen. Una (Rooney Mara) scheint in einem Trancezustand gefangen zu sein, wirkt verletzlich und hat doch ein klares Ziel vor Augen: Als Minderjährige verband sie eine sexuelle Beziehung mit dem erwachsenen Ray (Ben Mendelssohn), den sie nun mit drängenden Fragen konfrontiert, da er sich nach dem Verbüßen seiner Freiheitsstrafe für sexuellen Missbrauch ein neues Leben aufgebaut hat. Aus dieser Prämisse entwickelt sich ein intensives Kammerspiel mit starken Darstellern, das sich dem Thema Missbrauch auf differenzierte Weise nähert. Wut und Schmerz verbinden sich mit einer eigenartigen Anziehung, Erinnerungsfragmente geben Einblick in die verbotene Liaison – wobei der Film einige über das Ende hinaus beklemmende Unsicherheiten sät. (cd)