Stillwater – Gegen jeden Verdacht (2021)
- Originaltitel Stillwater
- Regie Tom McCarthy
- DarstellerInnen
- Entstehungsjahr 2021
- Land USA
- Filmlänge 140 min
- Filmstart 9.9.2021
- FSK 12
- Genres
Bewertung
Filminhalt
Der Film Stillwater – Gegen jeden Verdacht birgt drei Geschichten: Eine fragile Vater-Tochter-Beziehung steht auf dem Prüfstand, eine Liebe entwickelt sich über kulturelle Schranken hinweg, und ein Thrillerfinale mit mehreren Twists sorgt für Spannung. Das Ende ist leicht over the top.
Bill Baker (Matt Damon) ist ein Bohrarbeiter aus dem Ort Stillwater in Oklahoma, der sich von Job zu Job hangelt. Früher war er Alkoholiker, das Verhältnis zu seiner Tochter Allison (Abigail Breslin) ist zerrüttet. Doch jetzt ist Bill trocken und so zuverlässig wie einsilbig – „Yes Ma‘am“ ist sein Standardspruch gegenüber Frauen. Seine Tochter, die Auslandsstudentin in Marseille war, sitzt dort seit fünf Jahren wegen Mordes an ihrer Freundin Lina im Gefängnis, beteuert aber weiterhin ihre Unschuld. Als Bill sie besucht, bittet Allison ihn, ihrer Anwältin einen Brief zu überreichen. Doch die Anwältin sagt ihm, nichts mehr für seine Tochter tun zu können. Bill wird selbst aktiv.
Regisseur Tom McCarthy wollte schon lange einen französischen Thriller drehen, doch es fehlte ihm über Jahre ein besonderer Blickwinkel und der Aspekt der Menschlichkeit, wie McCarthy in einem Interview selbst sagte. So kam es, dass er zunächst seinen vielbeachteten Film „Spotlight“ fertigstellte und erst dann zu diesem Projekt zurückfand. Inzwischen hatte McCarthy mit mit der Geschichte der Austauschstudentin und ihres Vaters die ihm fehlenden Elemente in die Handlung eingebaut.
Die menschliche Komponente des Films ist komplex. Der wortkarge Held Bill lebt sich immer mehr in Marseille ein und hat bald einen Job auf dem Bau, doch ständig tickt es in seinem Kopf: Ohne Hilfe der Polizei will er Linas wahren Mörder finden. Er lernt die Schauspielerin Virginie (Camille Cottin) kennen, die ihm bei Zeugenbefragungen übersetzt, er zieht sogar bei ihr ein und betreut tagsüber Virginies Tochter Maya. Als Bill und Virginie auf Instagram-Fotos das Gesicht des möglichen Mörders finden, taucht Bill zu sehr ins kriminelle Milieu der Hafenstadt ein und muss das büßen.
Die Monate vergehen, Allison ist zunehmend verzweifelt, und nach einem Tag Freigang, den sie mit ihrem Vater am Meer und bei Virginie verbringt, unternimmt sie im Gefängnis einen Selbstmordversuch. Bill weiß, dass er unbedingt eine Lösung finden muss; diese Lösung aber macht jegliche Annäherung des Arbeiters aus den USA an das Bildungsbürgertum Frankreichs zunichte.
Tom McCarthy hat mit den Aufnahmen mitten in Marseille wunderbare Bilder kreiert. Beengte Gassen voller Graffiti an den Hauswänden wurden von Kameramann Masanobu Takayanagi so intensiv eingefangen wie die Natur außerhalb der Hafenstadt, als Bill mit seiner Tochter einen Ausflug unternimmt. Ebenso kommt das Bildungsbürgertum mit seinen Terrassen hoch über dem Meer zur Geltung, wo Virginie verkehrt, Bill sich aber sichtlich nicht wohl fühlt. Im Gegenzug wendet Virginie sich angeekelt ab, wenn Bill selbst mit verbohrten Rassisten in heruntergekommenen Vierteln ins Gespräch kommt, um den Fall aufzuklären. Die Stadt prägt den Film in allen Aspekten – von der Gefängnismauer bis zum Blick in die Meeresbucht. Matt Damon, der seine Rolle des Bill komplett unterspielt, steigert diesen Blick an seinem Gesicht vorbei mit jedem Streifzug durch Marseilles Straßen und Gassen.
Der Thriller war Tom McCarthys Ausgangsgenre für diesen Film. Ganz nebenbei ist „Stillwater“ auch das. Der letzte Twist wird übrigens schon ganz zu Beginn und sehr unscheinbar angekündigt. Und obwohl er das US-patriotische Ende des Films wunderbar konterkariert, ist dieser Twist auch nach fast zweieinhalb Stunden irgendwie eine Wendung zu viel.
Jürgen Wittner