Zum Inhalt springen

Sommer auf dem Land (2010)

Sommer auf dem Land (Poster)

Bewertung

„Sollte man sehen“ kulturmovies

Filminhalt

Ein Mann betrauert den Tod seiner großen Liebe. Er verschüttet ihre Asche am Strand der stürmischen Ostsee, ein Wolkenhimmel in Grau, Weiß und Babyblau hängt darüber wie gemalt für ein Theaterstück. Bogdan (Zbigniew Zamachowski, „Drei Farben: Weiß“) ist ein international gefeierter Konzertpianist, seine an Krebs verstorbene Frau Iza war
die bekannteste Opersängerin Polens, gemeinsam traten sie vor begeisterten Mengen auf. Doch nun ist seine Jugendliebe tot, und Bogdan liegt am Boden. Er säuft, lässt die Klassik sausen und kümmert sich mehr schlecht als recht um den Bauernhof seiner Mutter. Nachdem ihm sein Kumpel Pawel (Antoni Pawlicki) erzählt, man könne die Produktivität von Milchkühen durch das Abspielen von Mozart-Musik um 30 Prozent erhöhen („Das haben die Nazis rausgefunden!“), stellt der Witwer einen Plattenspieler im Stall auf und legt Operneinspielungen von Iza auf. Und siehe da – die Milch von Kuh Klara fließt in Strömen und betört die Gaumen der Dörfler. Bogdan ist sicher: Klara ist die Wiedergeburt von Iza
Radek Wegrzyn, der an der Filmhochschule Konrad Wolff in Berlin studiert hat, erzählt in
seinem ersten Spielfilm davon, wie wichtig es ist, bedingungslos zu lieben – und wie wesentlich auch, nach dem Verlust wieder loszulassen.

„Sommer auf dem Land“ ist eine kleine Geschichte über den Glauben

Dazu bindet Wegrzyn liebevoll Klischees über sein Heimatvolk ein: Bogdans Mutter ist gläubige Katholikin und bedrängt den überforderten Dorfpfarrer, an der Kuh einen Exorzismus vorzunehmen (mit Bibelstellen zur Taufe von Kleinkindern), alle sind ein wenig verschroben, und saufen und singen tun sie alle gern. Doch ist das stets augenzwinkernd wie ein halbes Märchen inszeniert, kippt nie ins ethnische Stereotyp oder wird zur Schrulligkeitsparade. Wegrzyn kleidet seine skurrile Geschichte in warmes Grün, Herbstlaubbraun und Buttergelb, überzieht seine Bilder ab und an auch mit goldener Patina. Die Frage, ob Bogdan seinen Verstand verloren hat und seine gestörte Beziehung zu seiner Tochter Anna (Agata Buzek) konterkariert gewollt den fabelartigen Charakter von Bogdans Verhältnis zu Klara, mit der er lange Gespräche führt und die sogar bei ihm einzieht. Als der Ex-Pianist ein großes Fest gibt, um Izas Rückkehr zu feiern, taucht Anna auf – und mit ihr die Erinnerung an die genauen Umstände von Izas Tod … „Sommer auf dem Land“ ist keine verklärte Hommage an Polen und seine Traditionen, keine beschönigende Huldigung des ländlichen Lebens, keine sentimentale Ehrerbietung an die gute, alte Zeit. Es ist eine kleine Geschichte über den Glauben – den Glauben an die ewige Liebe über Tod hinaus und darüber, dass man diesen Glauben irgendwann aufgeben muss, um in etwas anderem Sinn zu finden: dem Leben. (vs)

  • Sommer auf dem Land (Filmbild 2)
  • Sommer auf dem Land (Filmbild 3)
  • Sommer auf dem Land (Filmbild 4)
  • Sommer auf dem Land (Filmbild 5)