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Rheingold

Bewertung

„Muss man sehen“ kulturmovies

Filminhalt

Regisseur Fatih Akin hat in seinem neuen Film „Rheingold“ aus dem Leben des Rappers Xatar einen deutschen Mythos gemacht, der einen Bogen von der islamischen Revolution 1979 in Iran bis zu Xatars Erfolg als Musiker und Produzent in Deutschland spannt. „Rheingold“ ist bitterernst, komisch, politisch und – geschenkt! – manchmal auch ein kleines bisschen kitschig.

Der Film beginnt, als Giwar Hajabi (Emilio Sakraya) in Syrien 2010 im Knast sitzt und gefoltert wird: Die Syrer wollen erfahren, wo er das Gold versteckt hat. Welches Gold? Das erfährt erst viel später, wer die Autobiografie des Rappers Xatars noch nicht gelesen hat, auf deren Basis der Film entstand.

Das Ergebnis ist überbordend, auch aufgrund vieler Genrewechsel, denn „Rheingold“ ist Polit- und Flüchtlingsdrama, Gangsterfilm über einen aufstrebenden Rapper, Coming-of-Age-Geschichte und – ja einmal auch – Slapstick. Zunächst aber ist der Film ein ganz starkes Flüchtlingsdrama. Giwars Vater Eghbal Hajabi (Kardo Razzazi) ist 1979 in Persien Komponist und dirigiert gerade ein Orchester, als revolutionäre Banden den Konzertsaal stürmen und mehrere Mitglieder des kulturell westlich orientierten Ensembles niedermetzeln. Hajabi flieht mit seiner Frau in kurdisches Gebiet im Norden Irans, wo sie sich dem kommunistischen Widerstand anschließen und Giwars Mutter (Mona Pirzad) ihren Sohn alleine in einer Höhle zur Welt bringt. Sie schlägt die Nabelschnur selbst mit einem Stein entzwei und nennt ihren Sohn Giwar („im Leid geboren“).

Die Familie kann über den Irak nach Frankreich fliehen, wo sie zunächst von kurdischen Familien aufgenommen wird, ehe der irakische Botschafter, ebenfalls Kurde, sie nach Deutschland und dort nach Bonn vermittelt. Hier kommt zum ersten Mal das zentrale Motiv des Films: Der Vater geht in Bonn mit seinem Sohn ins Opernhaus, wo gerade Richard Wagners „Rheingold“ geprobt wird. Der Vater: „Es ist das Gold, das unsterblich macht, und wer es einmal hat, wird es nie wieder aus der Hand geben.“

Vor diesem Hintergrund muss man Giwars weitere Sozialisation betrachten: Der Teenager und seine kleine Schwester werden von der bald schon alleinerziehenden Mutter großgezogen. Während die Mutter vom Geld als Putzkraft mühsam auch Giwars Klavierunterricht finanziert, will dieser nach dem Auszug des Vaters von Musik zunächst nichts mehr wissen.

Fatih Akin beschönigt nicht, er wertet überhaupt nicht, er zeigt auf: Das Abgleiten des Teenagers Giwar ins kriminelle Milieu – von ersten Einnahmen mit illegalen Pornokopien auf dem Schulhof bis hin zum Dealen mit Kokain, von der ersten Tür bis hin zu einer Security-Firma in Amsterdam – wird eher anekdotisch gezeigt denn als kausale Entwicklungskette. Klar, Giwar will Kohle, will nie wieder so arm sein wie zu Hause bei der Mutter in Bonn. Er will Karriere als Rapper machen und braucht auch dafür Geld. Und ausgerechnet dann, als er eine elendig teure Lieferung Flüssigkoks von Amsterdam nach Deutschland transportiert, fallen ihm alle Flaschen runter: 500 000 DM Schulden beim Onkel in den Niederlanden. Wie da wieder rauskommen? Mit dem Überfall eines Goldtransporters, der Zahngold im Wert von über einer Millionen Mark transportiert. Und hier kippt der Film ein einziges Mal fast in den Slapstick, ehe der Goldraub die Verbindung zum Mythos vom Rheingold herstellt. Fatih Akin hat den Überfall mit den Aussagen vor Gericht gegengeschnitten, wodurch die wiederholten stümperhaften Versuche ihren vernichtenden Kommentar erhalten. Am Ende stellt sich die Polizei ein kleines bisschen doofer an als Xatar und seine Kumpels. Die werden auf ihrer Flucht für kurze Zeit in Syrien inhaftiert, wo der Film im Gefängnis begann und Xatar gefoltert wurde, ohne das Versteck des Goldes zu verraten: Der Wendepunkt für Giwar.

Der Musiker und Schauspieler Emilio Sakraya, bisher bekannt aus Rollen in der Serie „Tribes of Europa“ oder „Warrior Nun“, spielt Giwar ab dem Teenageralter. 16 Kilo hat er sich extra antrainiert und angegessen, den rheinländischen Dialekt angenommen, Giwars Körperhaltung und Gang erlernt.  Giwars Hinwendung zum Rap gelingt Sakraya sehr beiläufig-glaubwürdig, das ständige Reimen und Niederschreiben, die Treffen mit Maestro (Denis Moschitto), der ihm die Prinzipien des Rappens beibringt und den Umgang mit einem Tonstudio. Am Eindringlichsten aber sind die heimlichen Aufnahmen für das Album „Nr. 415“ im Knast, wo Xatar mit einem in das Gefängnis geschmuggelten Handy und einem Aufnahmegerät die Raps seiner Texte einspielte.

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