Reise nach Jerusalem (2017)

So sehr sich Alice auch abstrampelt, für die Endzwanzigern geht es nicht voran, sondern nur bergab. Gegenüber ihren Ex-Kollegen und Freundinnen wahrt die Texterin den Schein einer erfolgreichen Freelancer-Existen– doch diese Lüge lässt sich nur mit immer groteskeren Verrenkungen aufrechterhalten. Zwei Stunden lang verfolgt Lucia Chiarla in ihrem Debütfilm die sympathische, stets überambitionierte Alice durch ihren prekären Berliner Alltag. Die Situationen, denen sie Alice aussetzt, sind so realistisch und Eva Löbau verkörpert Alice derart authentisch, dass sie unweigerlich Mitgefühl auslöst, aber auch Verstörung. Zu den demütigenden Bewerbungsgesprächen kommen schamvolle Momente an der Supermarktkasse, wenn die letzten Groschen nicht mal mehr für die Kekse reichen, und verzweifelte Versuche, mit Tankgutscheinen über die Runden zu kommen. Chiarla und ihre grandiose Hauptdarstellerin bewegen sie dabei stets nur an der Grenze zur ironischen Übertreibung und zum schwarzen Humor – das macht diese Abwärtsspirale umso beklemmender. ascho