Picknick in Moria – Blue Red Deport (2023)

Im Grunde ist der Film ein Making-of des Dokumentarfilms „Picnic“, den der afghanische Asylbewerber über die Situation im berüchtigten Flüchtlingscamp von Moria auf Lesbos dreht: Talibshah Hosini ist Schauspieler und Filmemacher und genau wegen dieser von den Taliban verteufelten Berufe mit seiner Familie aus Afghanistan geflüchtet. Jetzt sitzt er seit Monaten im Lager fest. Doch Talibshah begehrt auf. Gemeinsam mit einem syrischen Kurden, der eine Kamera besitzt, dreht er einen Film über die hoffnungslose Situation im Lager – eine Fiktion, die die Realität wiedergeben soll.

Die litauische Regisseurin Lina Lužytė wiederum schaut mit ihren Kameras diesem künstlerischen Entwicklungsprozess von außen zu. Mal dreht sie, wie Talibshah eine Szene dreht, mal interviewt sie ihn oder seine Frau und seine Kinder. Mal spricht sie mit anderen Geflüchteten. Lužytė wollte mit ihrem Dokumentarfilm keine hoffnungslose Opfer porträtieren, und das ist ihr absolut gelungen: Sie zeigt durchweg Menschen, die zwar der Verzweiflung nahe sind und deshalb auch einen Selbstmord in ihren Film einbauen – doch Lina Lužytė zeigt kreative Menschen, Menschen mit Hoffnungen, Zielen, Wünschen; Menschen, die ihre gesamtes Herzblut in die Kunst stecken.

Am Ende zeigt Talibshah Hosini seinen Film „Picnic“ im Lager, und Lužytė befragt hinterher die durch den Film emotional aufgewühlten Menschen. Wenig später brennen Brandstifter das gesamte Camp nieder und machen damit auf einen Schlag 13 000 Menschen obdachlos. Mit ihrer Idee der Verschränkung von Realität und Fiktion aber liefert Lina Lužytė uns einen viel tieferen Einblick in die komplexe Situation der Geflüchteten, als es jeder reine Dokumentarfilm könnte. Und ganz nebenbei gibt sie ihnen damit etwas zurück, was ihnen das Flüchtlingscamp täglich zu nehmen versucht: ihre Würde.