Mein neues bestes Stück (2017)
- Originaltitel Si j'étais un homme
- Regie Audrey Dana
- DarstellerInnen
- Buch
- Entstehungsjahr 2017
- Land Frankreich
- Filmlänge 99 min
- Filmstart 15.6.2017
- Website http://www.MeinNeuesBestesStueck.de
- Genres
Bewertung
Jeanne schwört dem anderen Geschlecht ab, doch dann wacht sie mit einem Penis zwischen den Beinen auf. Komödie
Filminhalt
„Isn’t it awfully nice to have a penis?“, sangen schon die Komiker von Monty Python, und sie mussten es wissen, sie hatten ja alle einen. Doch was passiert, wenn man das gar nicht so schrecklich schön findet, einen Johannes zu besitzen? Die französische Regisseurin, Drehbuchautorin und Hauptdarstellerin Audrey Dana öffnet dafür einen Käfig voller Narren – ohne jemals das schrumpelige Objekt der Begierde zu zeigen. Dana bleibt bei Fummel, in den sich die Monty Pythons auch gerne warfen, nicht stehen; sie geht direkt zum in der Filmkomödie bisher wenig erschlossenen Gebiet des Hermaphroditentum über. Während in Körpertauschkomödien wie „Switch – Die Frau im Manne“ sich ein Mann aufgrund fantastischer Umstände im Körper einer Frau wiederfindet, wacht die unterwürfige, allein erziehende Architektin Jeanne nach einem Gewitter auf und ist noch eine Frau – mit dem feinen Unterschied, dass sie plötzlich einen Penis hat. Jeanne ist panisch und geschlechterverwirrt! Doch nach dem ersten männlichen Orgasmus merkt sie, dass ein maskulines Sexualorgan gar nicht so übel ist. Sie nennt es Pinpin, nach ihrem Lieblingsstofftier als Kind, geht breitbeinig und kauft sich eine Packung Boxershorts. Auf der Baustelle der von ihr entworfenen Schule steht sie gegenüber den Arbeitern nun ihren Mann, und die ungewohnte Schwanzfixiertheit und Dauergeilheit auf alles, was Brüste hat, lernt Jeanne auch zu schätzen.
„Mein neues bestes Stück“ bricht Geschlechterbilder auf
Mit Hut und Mantel androgyn wie der junge Bowie in den 70ern, streift sie durch die Straßen von Paris und schaut sich männliches Gebaren ab – so frei, wie sie als Frau ohne Glied niemals war. Es gibt unglaubliche Szenen in diesem überdrehten, aber niemals vulgären Film, der im Minutentakt Geschlechterbilder aufbricht, neu zusammensetzt, einreißt und neu erfindet: Jeanne, die mit neuem männlichen Selbstbewusstsein auf der Baustelle fröhlich hinter einen Zaun pinkelt; Jeanne, wie sie die Securityfrau ihres Architekturbüros entjungfert und sich selber als Mannfrau gleich mit; Jeanne, die ihren egoistischen Ex verführt, ihm ihr neues bestes Stück zeigt und damit die Machtverhältnisse zu ihren Gunsten umkehrt. Nicht nur das: „Sie krempeln die ganze Genderfrage um“, findet ihr Gynäkologe, nachdem er feststellt, dass Jeanne einen Hormonhaushalt wie ein Teenager hat – ein weiblicher und ein männlicher! „Du bist schlimmer als ein Mann!“, hält ihr ihre beste Freundin vor, weil Jeanne immer mehr zur Machoin mutiert, die Männer anrempelt und Frauen nachstellt. Doch als Jeannes One-Night-Stand-Kollege ihr Herz erwärmt, weil er seine einfühlsame weibliche Seite zeigt und auf Jeannes verzweifelte Frage „Stehst du vielleicht auch auf Sex mit Männern?“ leider nicht anspringt – da mag Janne ihren Pinpin gar nicht mehr so gern …
Nicht neu, aber noch nie so verrückt
Lesbisch, schwul oder doch hetero? Transsexuell, intersexuell oder einfach queer? Mit den etablierten, aber auch den vergleichsweise neuen Gender- und Geschlechterbegriffen hält sich der Film nicht auf und nimmt lustvoll alle unsere Vorurteile und Klischeevorstellungen aufs Korn, ob wir nun Sexist sind oder Feministin, Familientier oder Sexdate-Single. So entsteht nach eher wilden ersten 45 Minuten in der zweiten Filmhälfte ein „Manche mögen’s heiß“ für die Gegenwart, in der wir bei Facebook zwar aus 60 Geschlechtern auswählen können, Frauen aber weiterhin schlechter bezahlt werden als Männer und durch Werbung und Medien weiter nonstop gesagt bekommen, dass sie sich in ihrem Körper nicht wohl fühlen. „Mein neues bestes Stück“ findet dagegen, eine Frau kann nur glücklich als Frau sein, wenn sie keine Angst davor hat, Frau zu sein. Und Frauen und Männern kann es nicht schaden, Eigenschaften des jeweils anderen Geschlechts zu besitzen. Das hört man nicht zum ersten Mal in einem Stück Unterhaltungskultur – aber man hat es noch nie auf eine so verrückte Weise gehört. vs