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Lolita (1997)

Bewertung

„Sollte man sehen“ kulturmovies

Filminhalt

Bisher für Filme wie „Neuneinhalb Wochen“ oder „Ein unmoralisches Angebot“ berühmt, wagte sich Adrian Lyne nun an eine Romanverfilmung. „Lolita“ – nach der meisterlichen Vorlage von Vladimir Nabokov – wird dem Roman insofern gerecht, als hier keine Liebesszenen billig ausgeschlachtet werden. Für Wirbel sorgte Lynes Film dennoch: Kein Verleih war bereit, ihn in den USA herauszubringen. Die Liebe eines College-Professors (Jeremy Irons) zu einem 12jährigen Mädchen (Dominique Swain) erschien wohl zu amoralisch – wie anno 1955, als der Roman erscheinen sollte …
KULTUR!NEWS: Mr. Lyne, an Nabokovs Roman ist ja vieles reizvoll. Was hat Sie denn gereizt?
Adrian Lyne: Es ist einfach ein wunderbarer Roman: sehr komplex. Es geht um einen Mann, der etwas Scheußliches tut. In gewissem Sinn haßt man ihn, und gleichzeitig erreicht Nabokov, daß einem der Mann leid tut.
K!N: Wo haben Sie Dominique Swain, ihre Lolita, entdeckt?
Lyne: Sie hat mir ein Video geschickt, das sie in ihrer Küche aufgenommen hatte. Sie liest aus dem Roman, und währenddessen kommt ihr Hund rein, läuft über den Tisch, sie stößt ihn zurück – das war einfach witzig. Jedenfalls wurde deutlich, daß sie genau das richtige Alter hatte. Sie war 14 zu dem Zeitpunkt, mit einem Fuß in der Kindheit, mit dem anderen im Erwachsenalter. Sie nahm ihr Kaugummi aus dem Mund und klebte ihn aufs Bein; das ist kindlich, aber auch erotisch.
K!N: Wie liefen die Dreharbeiten mit Jeremy Irons und seinem jungen Co-Star?
Lyne: Es war interessant, die beiden zusammen zu betrachten. Im Roman gibt es eine Stelle, wo Humbert einer jungen Hure verfallen ist, sich ihr nicht entziehen kann – und sie das erkennt. Das konnte ich wiedererkennen in der Szene, wo sie versucht, von Humbert mehr Taschengeld zu bekommen, indem sie langsam mit der Hand über sein Bein fährt. Das hatte dieselbe Qualität wie im Roman.
K!N: Wie haben Sie Regie geführt bei diesem Film?
Lyne: Bei ihr war schnell klar: Sie würde nie dieselbe Sache zweimal tun. Ich mußte also jede Szene mit zwei Kameras drehen, weil ich ja stets Jeremys Reaktion brauchte. Bei ihr mußte ich sehr vorsichtig sein. Ihre Mutter war immer am Set, vorher haben wir Dominique zum Psychologen geschickt, um sicher zu gehen, daß sie mit dem Stoff umgehen kann. Letztendlich castet man ja nicht zwei Individuen, sondern das, was zwischen ihnen passiert. Die Chemie, wenn Sie so wollen. Als Regisseur habe ich so wenig gesagt wie möglich.
Interview: Klaus Rathje