Der andere Liebhaber (2017)

… ist ein genialer Film, weil er so selbstbewusst wie ungehemmt ein Genre reanimiert, das längst ausgestorben schien: den Erotikthriller. Die 25-jährige Chloé (Marine Vacth) wird von Magenschmerzen geplagt und begibt sich in psychologische Behandlung – schon nach wenigen Sitzungen jedoch gesteht Therapeut Paul (Jérémie Renier), dass er sich in sie verliebt hat. Chloé zieht bei ihm ein. Doch allmählich beschleicht sie das Gefühl, dass Paul ihr etwas verheimlicht. Kurz darauf entdeckt sie auf der Straße einen Mann, der Paul bis aufs Haar gleicht: Es ist sein Zwillingsbruder Louis, der ebenfalls Psychologe ist – und das komplette Gegenteil von Paul. Chloé fühlt sich zu dem narzisstischen Ekel hingezogen und begibt sich bei ihm in Therapie … Zwischen Brachialem wie „Sitcom“ und Betulichem wie „Das Schmuckstück“ lässt sich in François Ozons Filmografie nach wie vor keine Linie ausmachen.

„Der andere Liebhaber“ ist alles andere als subtil

Nach dem melancholischen Historienfilm „Frantz“ legt der chronisch unberechenbare Regisseur nun seine wildeste Arbeit seit dem Horrormärchen „Criminal Lovers“ (1999) vor. Und macht mit der Großaufnahme einer Vulva, die direkt auf ein weit geöffnetes Auge überblendet, von Beginn an klar, dass in „Der andere Liebhaber“ mit vielem zu rechnen ist – nur nicht mit Subtilität: Mit Lust an der Übertreibung und im kühlen, fast klinischen Look entwirft Ozon ein Spiegelkabinett der Obsessionen, in dem Wirkung stets wichtiger ist als Wahrscheinlichkeit. „Der andere Liebhaber“ ist übervoll mit vulgärfreudianischer Symbolik, Doppelungen auf allen Ebenen, Verweisen auf Transgressives von De Palma bis Cronenberg (ja, eine Körperhorror-Sequenz gibt es auch) – ein großes, maßloses Vergnügen. sb