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KühlungsbornDie Herrlichkeit des Lebens (2023)

Die Herrlichkeit des Lebens (2023) (Poster)

Trailer

Bewertung

„Sollte man sehen“ kulturmovies

Filminhalt

Eine der schönsten Anekdoten über Franz Kafka ist, dass er beim Vorlesen seiner Texte im Freundeskreis regelmäßig schallend gelacht habe. Kafka? Der zutiefst entfremdete, chronisch melancholische, familiär verhunzte, krankhaft paranoide Autor? Bei der Lektüre fällt es oft schwer, das zu glauben. Und doch ist das Bild von Kafka als Trauerkloß ein verkürztes, gegen das sein Umfeld nach seinem Tod wiederholt Einspruch erhoben hat – darunter Dora Diamant, seine letzte Verlobte, die den 1924 Verstorbenen um fast drei Jahrzehnte überlebt hat. Um das letzte gemeinsame Jahr der beiden geht es in „Die Herrlichkeit des Lebens“ von Georg Maas und Judith Kaufmann, basierend auf dem Bestseller von Michael Kumpfmüller.

1923 trifft die Tänzerin Dora (Henriette Confurius) in einem Ostseebad auf Franz Kafka (Sabin Tambrea) – 15 Jahre älter, verträumt, schwer lungenkrank. Beide haben auf den ersten Blick wenig gemeinsam. Und doch fühlen sie sich zueinander hingezogen, auch, nachdem sie nach Berlin und er nach Prag zurückgekehrt ist. Dank Dora traut sich Franz erstmals, sich gegen den übermächtigen Vater aufzulehnen, den wir, in einer der klugen Entscheidungen des Films, nie zu Gesicht bekommen. Er zieht zu ihr nach Berlin, doch die Wirtschaftskrise und mangelnder Erfolg lassen das Geld knapp werden, der Winter ist brutal, familiäre Unterstützung bleibt aus. Währenddessen wird Kafkas Gesundheit immer schlechter, schließlich muss er ins Sanatorium …

Natürlich ist „Die Herrlichkeit des Lebens“ vor allem spannend für Kafka-Fans, die dann auch ausgiebig auf ihre Kosten kommen: Nicht nur das zentrale Paar gibt es zu sehen, auch Kafkas Schwestern und sein Freund Max Brod (Manuel Rubey) tauchen auf. Es wird aus Briefen und Tagebüchern vorgelesen, und wir sehen mit an, wie Kafka die Ideen zu Texten wie „Eine kleine Frau“ oder „Die Verwandlung“ kommen. Vor allem können wir den Autor als zwar geschwächten, aber lebensfrohen und humorvollen Menschen beobachten. Doch ein Biopic ist immer ein Balanceakt – ist es historisch zu ungenau, kann es willkürlich wirken, ist es zu akribisch, dagegen aufgesetzt oder didaktisch. Dass Kafka hier etwa gleich in seiner ersten Szene einer Horde Kinder seine „Kleine Fabel“ erzählt, strapaziert die Glaubwürdigkeit dann doch stark.

Insgesamt strebt der Film jedoch in die entgegengesetzte Richtung: Modern klingende Dialoge, dezente Kostüme und nicht zuletzt die Darsteller:innen verankern ihn im Hier und Jetzt.  Tambrea und Confurius, die ihren historischen Vorbildern nur ungefähr ähneln, konzentrieren sich auf die emotionale Wucht ihres Spiels statt auf Akkuratesse. Was Authentizitätsbesessenen sauer aufstoßen mag, erweist sich als Stärke. Denn letztlich erzählt „Die Herrlichkeit des Lebens“ eine simple Geschichte über eine tragische Liebe, die auch dann funktionieren würde, wenn es nicht um Kafka und Diamant, sondern um zwei fiktive Figuren ginge. Dass sie noch dazu wahr und historisch belegt ist, ist daher eher ein Bonus – und gibt den emotionalen Schlussszenen zugleich ein besonderes Gewicht. Und wenn der Film zusätzlich dazu beiträgt, Kafkas Image ein wenig differenzierter zu machen, ist das schon fast alles, was sich seine Anhänger:innen wünschen können.