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Kolya (1996)

Kolya (Poster)

Bewertung

„Muss man sehen“ kulturmovies

Filminhalt

Zwei Genres haben den Ruf des tschechischen Films geprägt. Zum einen war es die bittersüße Mischung aus Satire und Sentimentalität in der Tradition des braven Soldaten Schwejk. Mit solchem Schalk im Nacken konnten Regisseure wie Jiri Menzel und der frühe Milos Forman die Zensur unterlaufen. Das zweite, verbreitetere Genre ist der Kinderfilm. Tschechische Filmemacher verstehen es einfach, mit Kindern vor der Kamera umzugehen. Regisseur Jan Sverak ist der neue Stern am tschechischen Filmhimmel, weil er beide Elemente in gefälliger Form verbindet. „Kolya“ erzählt die Geschichte eines alternden Schlitzohrs, das unverhofft mit einem kleinen Kind konfrontiert wird. Nachdem bereits Sveraks Debüt „Die Grundschule“ für einen Oscar nominiert worden war, bekam sein vierter Film die Trophäe tatsächlich. Nun bringen ihn US-Großverleihe in die Kinos der Welt.

Der Charme der Zeit

Die Geschichte spielt 1988. Der leicht regimekritsche Cellist Frantisek darf nicht in Orchestern musizieren, sondern nur auf Beerdigungen. Den Mangel an beruflichem Erfolg kompensiert das herzige Rauhbein bei schönen Frauen; sie verfallen dem Charme des ergrauten 55-Jährigen in beeindruckender Anzahl (Darsteller Zdenek Sverak, überdies Vater des Regisseurs, hat sich die Rolle selbst auf den Leib geschrieben). Eines Tages winkt ihm ein lukrativer Job: eine Scheinheirat mit einer Russin, die einen tschechischen Paß benötigt. Frantisek willigt ein – und steht kurz darauf allein mit dem fünfjährigen Sohn der geflüchteten Frau da. Zunächst will der eingefleischte Single das lästige Kind Kolya rasch wieder loszuwerden. Zusehends aber gewinnt er es lieb …

Komik mit Herzblut

und Spezifischen Charme verleiht dem Film einerseits die Handlungszeit: Der Umbruch zeichnet sich ab, da erinnert der Film an die glorreichen Tage der sogenannten Samtenen Revolution. Darüber hinaus spinnt er eine Versöhnungs-Fantasie: Der kleine Kolya, der nur russisch spricht, hat es in Prag nicht leicht. Seine Landsleute werden als Besatzer empfunden, selbst Frantiseks alte Mutter hat kein Herz für den sowjetischen Anhang ihres Sohns. Im Entstehungsland wurde das Melodram daher als Bericht zur Lage der Nation diskutiert. Das internationale Publikum kann solche Feinheiten zur Kenntnis nehmen, muß es aber nicht. Denn sie sind auf eine Geschichte draufgesetzt, die ebensogut in Los Angeles mit Robin Williams hätte verfilmt werden können. Diesen Mix aus universell funktionalem Mainstream-Kino und charmanten lokalen Besonderheiten beherrscht der Film perfekt. Man könnte ihm Glattheit vorwerfen – würden nicht klug eingesetzte Komik, die gepflegt in warmen Farbtönen schwelgende Kamera, die spürbar mit Herzblut erdachten Charaktere und der hinreißende (wirklich russische) Kinderstar Andrej Chalimon solcher Kritik den Wind aus den Segeln nehmen. (cb)