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Killers of the Flower Moon (2023)

Killers of the Flower Moon (2023) (Poster)

Bewertung

„Muss man sehen“ kulturmovies

Filminhalt

Vergiften, erschießen, erben: Die Verbrechen der weißen Bevölkerung an dem indigenen Volk der Osage Anfang des 20. Jahrhunderts waren von unglaublicher Perfidie. Martins Scorseses Film  Killers of the Flower Moon zeigt das in epischer Breite und setzt den Osage damit ein filmisches Denkmal.

Als der Zug in Fairfax, Oklahoma Anfang der 1920er Jahre einfährt, steigt auch Ernest Burkhart aus: Der Kriegsveteran aus dem ersten Weltkrieg will zu seinem Onkel, dem Viehzüchter William „King“ Hale, denn er hat keinen Job und kann Geld gut gebrauchen. Das Geld ist in Fairfax aber weniger bei den Weißen zu Hause. Hier sind seit einigen Jahren die Osage die reichsten Menschen der ganzen Region und – ja – der ganzen Welt. Details dazu können rechts im Kasten nachgelesen werden.

Leonardo DiCaprio spielt diesen Ernest Burkhart, der anfangs nur mit dem Auto rumfährt, an Raubzügen beteiligt ist und ab und an die reiche und selbstbewusste Indigene Mollie Kyle (hervorragend: Lily Gladstone)  bei ihren Einkaufsfahrten wie ein Taxifahrer durch die Gegend fährt. Schon bald macht Ernest Mollie einen Antrag, und sie willigt ein.

Weiße Chauffeure fahren indigene Millionäre zum Einkauf

Martin Scorsese hat mit „Killers of the Flower Moon“ nach „The Irishman“ den zweiten Film nach einem True-Crime-Sachbuch gedreht: Der Film basiert auf dem Buch „Das Verbrechen“ des Journalisten David Grann über die Osage-Morde. Scorsese hatte gemeinsam mit DiCaprio schon früh entschieden, den Schwerpunkt des Films vom FBI-Agenten Tom White auf den von DiCaprio gespielten Ernest Burkhart und dessen Frau Mollie zu verlagern. Zunächst zeigt der Film in epischer Breite und mit distanziertem Blick – oft sogar in zynische Slapstick abrutschend – das Rauben und Morden oder langsame Vergiften indigener Menschen durch Weiße zum Zweck der eigenen Bereicherung. Im zweiten Teil geht FBI-Agent Tom White (Jesse Plemons) nicht weniger zimperlich vor, wenn er Jagd auf die sich sicher wähnenden Burkhart, Hale & Co macht. Schließlich kommt es zu spektakulären Gerichtsverhandlung …

Dass Scorsese weiß, wie man einen dreieinhalbstündigen Film komponieren muss, damit die Menschen im Kino bleiben, konnte man schon beim sogar eine Minute längeren „The Irishman“ sehen. In seinem Westerndrama setzen Videoclip-ähnliche Sequenzen – gefüllt mit Mord auf Mord auf Mord und unterlegt von einem treibenden, den ganzen Film über immer wiederkehrenden Blues-Rhythmus –  einen Marker, ebenso in Schwarz-Weiß gehaltene und dokumentarisch anmutende Szenen und Fotos. Sie halten wichtige Momente der Historie fest, so auch Mollies Reise gemeinsam mit den Stammesältesten nach Washington, was schließlich den Einsatz des FBI zur Folge hat. Den Schwerpunkt des Films aber bilden lange Gespräche in ruhigen Einstellungen: zwischen Ernest und seinem Onkel William sowieso, der ihn wie einen kleinen Jungen behandelt und dem Kriegsheimkehrer einmal sogar den Hintern versohlt, weil der nicht mal einen Mord wie einen Selbstmord aussehen lassen kann.

Die Gespräche zeigen aber auch eine Ambivalenz der Figuren, allen voran Ernest, der in seiner Verkommenheit wirklich glaubt, seine Frau Mollie zu lieben, gleichzeitig aber ihre Verwandtschaft brutal ermordet und sie selbst zu vergiften versucht. Und schließlich sind da die Gespräche der indigenen Bevölkerung, die sich über die Folgen ihrer Assimilierung genauso unterhalten wie über die Krankheiten, die die Weißen mitbrachten, sowie ihre Strategien gegen die systematische und brutale Ermordung ihrer Stammesmitglieder. Lange Sequenzen zeigen Hochzeitszeremonien genauso wie Trauerrituale und tauchen tief ein in die Kultur der Osage.

Von diesen hatte Scorsese für den Film von Anfang an grünes Licht erhalten. Gedreht wurde auf ihrem Territorium von Osage County, viele von den Osage spielen mit, und Nachkommen der damals Lebenden waren beratend an der Entwicklung des Drehbuchs von Eric Roth beteiligt. So zeigt der alte Meister der brutalen Stoffe eine der perfidesten Geschichten organisierter Kriminalität in der US-Geschichte und toppt sich damit noch einmal selbst.

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