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Kill Bill: Volume 1 (2003)

Kill Bill: Volume 1 (Poster)

Bewertung

„Sollte man sehen“ kulturmovies

Filminhalt

Nach dem gemächlichen „Jackie Brown“, der fast einem Alterswerk glich, ist Tarantino nun da, wo man ihn eigentlich am Anfang seiner Karriere vermutet hätte: bei der trashig-brutalen Rächerstory, motiviert und inspiriert durch staubige Italo-Western und leichenreiches Martials-Arts-Gekloppe. Die „Braut“ (Uma Thurman), eine Ex-Attentäterin, rächt sich an ihren ehemaligen Kollegen, die an ihrer Hochzeit Mann und ungeborenes Kind ermordeten und sie selber in ein vierjähriges Koma schickten. Der ominöse Bill, ihr Ex-Boss, ist dabei das Endziel. Die Braut redet nicht viel – sie tötet … Die vehemente Redseligkeit von Tarantinos Killern und Knallchargen ist einer kampfwütigen Stille gewichen, in der dem Gegenüber das Wort gleich mit seinem Bein abgeschnitten wird. Gut so. Noch ein weiterer Film mit philosophierenden Hitmen wäre auch nicht zu ertragen. Zu gründlich und auch bis zum Erbrechen ist das Quentinsche Universum seit „Reservoir Dogs“ ausgeweidet. Der aufgebrochenen Chronologie mit Rückblenden und Nebenschauplätzen fügt Tarantino nun eine ästhetische Verspieltheit hinzu, die klar macht: Hier verfilmt ein Kindskopf seine Jugendfantasien, die er mit zahllosen Stunden vor dem Fernseher oder im Schundkino um die Ecke anspornte. Mit fast zärtlicher Hingabe inszeniert Tarantino die Geschichte einer Frau im Blutrausch. Zärtlich deswegen, weil er nicht nur Uma Thurman als Todesengel eine Vergangenheit gibt, sondern auch den Menschen, die sie ermordet.

„Kill Bill: Volume 1“ – vom verbalen Overkill zum nonverbalen Kill

Zärtlich auch, weil er die Braut nicht zu einer coolen Killerin stilisiert, sondern Minuten darauf verwendet zu zeigen, wie sie nach dem Koma ihre schwachen Beine wieder zum Laufen zwingt. Der Rest ist Popkultur: eine lange blutreiche Comicsequenz, ein noch längeres Samuraischwert-Hämoglobinbad, Schusswaffen in Cornflakespackungen, knallgelbe Autos, die „Pussy Wagoon“ heißen. Tarantino hatte eben Lust drauf. Sein Spieltrieb korrespondiert gut mit Tarantinos ruhiger Erzählweise. Das führt im Endeffekt zu etwas, was man dann doch noch nicht gesehen hat: ein insgesamt 200-minütiger Action-Streifen mit billigen Blutföntänen und simplem Rachekodex und der Stringenz und Sorgfältigkeit einer Charakterstudie. Die konsequente Verweigerung jeder weitergehenden Information – Wer ist die „Braut“? Warum wurde sie attackiert? Warum killt sie so virtuos? Wer ist Bill? – ist zum einen anstrengend, da sie Sehgewohnheiten des Kinogängers unterläuft. Zum anderen entsteht dadurch ein kitzelnder Reiz. Ähnlich dem, wenn man eine Hotelzimmer-Affäre mit einer Frau hat, deren Namen man nicht einmal weiß. Mittendrin hört der als Einteiler konzipierte Film dann mit einem verdächtig perfekten Cliffhanger auf; „Volume 2“ folgt in wenigen Monaten. So weit lässt sich sagen: Tarantino hat eine fällige Neuorientierung vorgenommen – vom verbalen Overkill zum nonverbalen Kill. Der Rest wird sich zeigen … (vs)