Indiana Jones und das Rad des Schicksals (2023)
- Originaltitel Indiana Jones and the Dial of Destiny
- Regie James Mangold
- DarstellerInnen
- Entstehungsjahr 2023
- Land USA
- Filmlänge 155 min
- Filmstart 29.6.2023
- FSK 12
- Genres
Bewertung
Filminhalt
Wenn Archäologe und Artefakte-Jäger Indiana Jones richtig zeitgeistig sein würde, müsste Harrison Ford die von Nazis und Konsorten zurückerkämpften Kostbarkeiten nicht ins Museum bringen, sondern an die einstigen Besitzer in den Herkunftsländern zurückgeben. Das fünfte Abenteuer des Wissenschafts-Superhelden müsste dann also eher „Indiana Jones und die letzte Restitution“ oder so heißen. Indiana Jones ist aber keine zeitgeistige Figur – höchstens in dem Sinne, dass er Hauptfigur eines Filmfranchises ist, das aus monetären Gründen einfach nicht enden darf und dazu auf viel zu viele digitale Effekte setzt. Das ist der Zeitgeist in Hollywood. Und daher heißt der Film auch „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“.
Titelgebendes Artefakt ist das Antikythera (gibt es wirklich), eine Zeitreise-Apparatur, die der griechische Mathematiker und Ingenieur Archimedes ums Jahr 200 vor Christus erfunden hat. Diese will ein Altnazi (Mads Mikkelsen) in seine Finger bekommen, um damit größtmögliches Unheil anzurichten – was in diesem Fall darin bestände, den Nazis nachträglich zum Gewinn des Zweiten Weltkriegs zu verhelfen. Ford wird von seiner ebenfalls archäologischen Patentochter Helena (Phoebe Waller-Bridges, Mastermind der Serie „Fleabag“) mit in die Suche nach dem zweiten Teil des Antikythera hineingezogen und zu zahlreichen Verfolgungsjagden überall auf dem Globus animiert. Dabei werden für einen Indiana-Jones-Film irritierend viele unbeteiligte Menschen kollateral umgelegt und kann Helena in der modernen, jetzt schon ermüdenden Tradition weiblicher Actionheldinnen alles das aus dem Stand, was sich Indiana Jones über Jahrzehnte antrainiert hat. Im Laufe ihrer Weltreise treffen die Abenteurer auf etliche Situationen aus früheren Filmen der Saga, die obligatorischen Nazis, schlangenartige Aale, einen spanischen Filmstar, Logiklöcher und Zufälle, so magisch wie die Bundeslade – und Archimedes selber …
Ein Blockbuster, wie von der KI gemacht
„Indiana Jones und das Rad des Schicksal“ macht nach seinen eher langen 140 Minuten einen verwischten, trüben, verschleierten Eindruck. Man kann den Film und seine einzelnen Handlungsorte, Figuren und Szenen in der Rückschau irgendwie nicht klar sehen. Am ehesten kann man sagen: Alles verschwimmt im Nachklapp zu einem gummiartigen visuellen Brei, als hätte man den Film aus einem Flummi heraus geguckt. Der Grund für diese Wahrnehmungsirritation sind die Unmengen an Spezialeffekten im Film: der digital verjüngte Harrison Ford in der Eröffnungshetzjagd im Jahr 1945 und auch später; die digitalen Stadtkulissen von New York und Tanger, auf Sizilien oder in Griechenland, in denen im Ankommen–Auffliegen–Abreisen-Rhythmus endlose, laute, absurde Verfolgungsjagden absolviert werden, die Ford aufgrund seines Alters (er ist 81) zumeist vor der Green Screen ableistet; die digitalen Kulissen der altertümlichen Meere, Höhlen und Grabstätten, an denen Indy und Helena nach der Apparatur suchen; digitale Autos, Flugzeuge und Stürme; digitale Indys, die ungelenk auf Zugdächern herumlaufen und sich dort prügeln. Der Computer, nicht Harrison Ford, ist der zentrale Akteur dieses Sequels. Die omnipräsenten Effekt lösen Konturen auf und machen die Umrisse weich – ästhetisch ist der Film ein Hubba-Bubba-Kaugummi.
Spaß kommt dabei nicht groß auf, auch nicht die den ersten drei Filmen der Reihe inhärente Mischung aus Kintopp, Camp und Krachmacherei, und wie sollte es auch? „Indiana Jones und das Rad des Schicksal“ hakt die bekannten Bestandteile der Reihe kalt und seelenlos ab, ganz so, als hätte ein Netflix-Algorithmus diese Ingredienzen ausgerechnet und vorgegeben, ohne jede Emotion und Sinlichkeit, kalt und seelenlos. Man kann in Harrison Fords Abgesang auf seine größte Rolle einen Eindruck gewinnen, wie Filme aussehen werden, wenn die KI das Zepter übernommen hat. Passenderweise gilt das Antikythera als ältestes Beispiel eines analogen Computers …