Emily (2021)
- Originaltitel Emily
- Regie Frances O'Connor
- DarstellerInnen
- Entstehungsjahr 2021
- Land Großbritannien
- Filmlänge 131 min
- Filmstart 24.11.2022
- FSK 12
- Genres Drama
Bewertung
Filminhalt
Bevor die Serie „Stranger Things“ Kate Bushs Song „Running up that Hill“ überraschend erneut zum Hit gemacht hat, war ihr größter Erfolg ihre Debütsingle „Wuthering Heights“ von 1978. Bis heute zelebrieren Fans aus aller Welt alljährlich den „Wuthering Heights Day“ und tanzen dazu in roten Kleidern. Ähnlich unsterblich ist der Roman, der dem Lied als Vorlage diente. Nicht nur deshalb hätte eine Neuverfilmung des Stoffes sicherlich großen Anklang gefunden, doch Frances O’Connor zeigt mit „Emily“ nicht die Geschichte von Cathy und Heathcliff, sondern von deren Erfinderin Emily Brontë.
Eine gewagte Entscheidung – immerhin ist es kein Geheimnis, dass die Werke bekannter Autor:innen oft interessanter sind als ihre Leben. Warum hätten sie sonst das Bedürfnis gehabt, Geschichten zu erfinden? Wir können uns denken, dass das im Fall von Emily Brontë umso stärker gegolten haben muss. Immerhin ist ihr einziger Roman „Sturmhöhe“ bis heute für seine überhöhten Emotionen und mystischen Untertöne bekannt, dem zeitgenössischen Publikum war er zu zynisch und deprimierend. Gut möglich also, dass Brontës ländlicher Alltag im Vergleich ziemlich fade ausgesehen hat.
Das weiß auch O’Connor und versucht erst gar nicht, bei der Wahrheit zu bleiben. Ihr Film sei kein Biopic, betont O’Connor, die ursprünglich als Schauspielerin bekannt geworden ist und mit „Emily“ ihren Erstling als Regisseurin vorlegt, sondern eine „imaginäre Biografie“. Gleich zu Anfang stellt Emilys Schwester Charlotte (Alexandra Dowling) ihr die Frage, die auch im Zentrum des Films steht: Wie ist eine schüchterne Frau im 19. Jahrhundert dazu gekommen, sich eine derart düstere Geschichte auszudenken? Da liegt die schwindsüchtige Emily (Emma Mackey) schon in den letzten Zügen auf der Couch.
Nur zehn Jahre zuvor zieht sie allein durch die wilde Landschaft von Yorkshire, wo ihr Vater als Pfarrer arbeitet. Nach dem Tod der Mutter hat sie sich mit ihren Schwestern Charlotte und Anne (Amelia Gething) in Fantasiewelten geflüchtet, doch nun ist Charlotte Gouvernante in der Stadt und hat keine Zeit mehr für solche Spiele. Emily, zu scheu und rebellisch für die strenge viktorianische Gesellschaft, verbringt lieber Zeit mit ihrem Bruder Bramwell (Fionn Whitehead), dem sie heimlich das Opium stiehlt. Als der junge Vikar Weightman (Oliver Jackson-Cohen) ihr Französisch beibringen soll, beginnt eine leidenschaftliche Affäre – die natürlich tragisch endet, ähnlich wie die Romanze von Cathy und Heathcliff …
Mit historischen Fakten hält sich O’Connor nicht auf. Dass alle drei Schwestern Dichterinnen waren, dass Charlotte ihren Roman „Jane Eyre“ noch vor Emily veröffentlichte, dass es, wenn überhaupt, wohl eher Anne war, die eine Affäre mit Weightman hatte – nichts davon findet Erwähnung. Umso wichtiger ist der Cast, der vollkommen in seinem melodramatischen Material aufgeht – allen voran Mackey, die 90 Prozent mit ihren ausdrucksvollen Augen spielt.
Zusätzlich erweist sich O’Connor als ausgesprochen stilsichere Tragödin: Die grauen Felder und Moore, prasselnden Regentropfen und düsteren Landhäuser stehen alle im Dienst derselben gotischen Atmosphäre, die von Abel Korzeniowskis melancholischer Musik noch verstärkt wird. Und kam es nicht auch Emily Brontë darauf immer am meisten an?