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Eileen (2023)

Eileen (2023) (Poster)

Bewertung

„Muss man sehen“ kulturmovies

Filminhalt

Obwohl die schüchterne Eileen (Thomasin McKenzie) als Sekretärin im Jugendgefängnis arbeitet, ist sie die Inhaftierte: gefangen genommen vom eigenen Leben, von der Pflege ihres dauerbesoffenen Vaters und Ex-Polizisten, der die Mittzwanzigerin systematisch schikaniert. Als die glamouröse Psychologin Rebecca (Anne Hathaway) zum JVA-Team hinzustößt, ändert sich dies jedoch schlagartig. Rebecca wird zur Projektionsfläche für all ihre Sehnsüchte, wird Mutterersatz, beste Freundin, Objekt der Begierde. Und kurzzeitig scheint Eileen sogar der Trostlosigkeit des grauen Boston der 60er-Jahre zu entkommen – wäre da nicht der brutale Vatermord eines Jugendlichen, an dem Rebecca derzeit forscht.

Inszeniert William Oldroyd („Lady Macbeth“) zunächst hervorragend subtil ein ergreifendes Drama über eine besondere Beziehung zweier Frauen, verwandelt sich der Film noir urplötzlich in einen drastischen Psychothriller. Was bleibt, ist die Tristesse. Bloß weicht die groteske Gemütlichkeit, die das charmante Zusammenspiel von McKenzie und Hathaway bis dato überzogen hatte, einem lähmenden Argwohn, der selbst die Zuschauer:innen beschleicht: Wer handelt hier noch moralisch? Sind Eileens Gewaltfantasien doch real? Und hat Rebecca ihr etwas vorgespielt?

War die gleichnamige Buchvorlage der US-amerikanischen Schriftstellerin Ottessa Moshfegh („Lavpona“, „Mein Jahr der Ruhe und Entspannung“) bereits von Daphne du Mauriers Roman „Rebecca“ inspiriert, der wiederum Pate für Alfred Hitchcocks gleichnamigen Thriller gestanden hat, erinnert Oldroyds 96-minütiger Film noir angenehm an den großen Meisterregisseur. So konstruiert Oldroyd nicht nur eine packend mehrdimensionale Geschichte über Machtmissbrauch und die in uns schlummernde Gewalt, sondern legt ein raffiniertes Psychogramm einer unterdrückten Frau an, die wie in Hitchcocks „Rebecca“ durch unerreichbare Ideale gebrochen zu sein scheint. Nur mit dem feinen Unterschied, dass hier Rebecca noch am Leben ist – oder? Als Eileen am Ende des Films wieder allein, rauchend, in einem Hermelinmantel ihrer Mutter eingepackt, am Fester sitzt und in den Nebel starrt, können wir uns fast nichts mehr sicher sein.

Vorstellungen