Zum Inhalt springen

Die Mittagsfrau (2022)

Die Mittagsfrau (2022) (Poster)

Bewertung

„Sollte man sehen“ kulturmovies

Filminhalt

Als die junge Helene (Mala Emde) mit ihrer älteren Schwester Martha (Liliane Amuat) aus ihrer schwer traumatisierten Familie in den 1920ern nach Berlin zu ihre Tante zieht, erfährt sie ein Öffnung ihrer Perspektive als Frau, die Helene nie für möglich gehalten hätte: Die libertäre Tante Fanny lebt ihre Sexualität offen vor den Nichten aus, und nicht nur das: Drogenkonsum ist in diesem Haushalt ebenso gelebter Alltag. Schnell muss Helene, die Medizin studieren möchte und erst mal in einer Apotheke arbeitet, sich in diesem neuen Leben einrichten.

„Die Mittagsfrau“ ist die Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers von Julia Franck. Der Film zeigt am Beispiel seiner Protagonistin, wie sich Frauen in der Weimarer Republik zumindest in den Metropolen des Landes Freiheiten erkämpfen konnten. In Helenes Fall ist mehr als das Ergreifen eines Berufs und die Aussicht auf ein Studium: Mit ihrer Liebe zu Karl (Thomas Prenn) lebt sie zudem in einer Beziehung, die für die damaligen Verhältnisse durchaus modern zu nennen ist. Doch die Geschichte hält für Helene kein Happy End bereit: Karl stirbt, und Helenes neue Beziehung zu Wilhelm (Max von der Groeben), einem Ingenieur und Nazi mit mehr als nur traditionellem Rollenverständnis, steht unter einem schlechten Stern. In der Folge verliert Helene vollkommen ihre Freiheiten, sie muss ihre Identität als Jüdin leugnen und überlebt den Nationalsozialismus mit falschem Pass unter falschem Namen.

Der Titel „Die Mittagsfrau“ ist eine Metapher, die viel aussagt über die Identität eines Menschen. In Helenes ländlicher Heimat geht die Sage um, dass einem die Mittagsfrau begegne, wenn die Hitze des Tages am stärksten ist. Man müsse dann über sich selbst erzählen, andernfalls werde man verrückt. Was passieren kann, wenn eine Person nichts mehr über sich erzählen darf, erzählt der Film: Helene heißt jetzt Alice und führt ein eingesperrtes Dasein in der neuen Wohnung gemeinsam mit Wilhelm.

Wie unglücklich sie in diesen Jahren und in dieser Zeit ist, wie eingesperrt: Das zeigt die die Kamera, die in der Wohnung eine klaustrophobische Stimmung heraufbeschwört, während Mala Emde die Rolle der vereinsamt Leidenden erschreckend gut spielt. Während all das, was in unserem Wissen den Nationalsozialismus ausmacht, in diesem Film ausgespart wird, denn die Kamera zeigt es nicht, erfahren wir, dass Helene/Alice alles von sich abstößt, was mit dieser Zeit zu tun hat – sogar ihren Sohn. „Die Mittagsfrau“ ist in der Unausweichlichkeit seines Plots ein nur schwer zu ertragender Film.

Vorstellungen