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Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford (2007)

Bewertung

„Muss man sehen“ kulturmovies

Filminhalt

Andrew Dominik nimmt sich viel Zeit für seine Chronik eines angekündigten Todes. Alles an diesem psychologischen Western ist balladesk, langsam, fast reglos: die Musik von Nick Cave und Warren Ellis, die Bilder von Roger Deakins, der für die Coen-Brüder schon „Fargo“ mit elegischen Aufnahmen tragischer Weiten vergoldete, das Erzähl- und sogar das Sprechtempo, in dem der Kleinganove Robert Ford (Casey Affleck) mit Jesse James (Brad Pitt) spricht. James ist 34, krank und seinen Gehilfen gegenüber so misstrauisch, dass er sie auch mal in den Rücken schießt. Der 20-jährige Ford, von Cassey Affleck mit brüchiger Stimme, schwächlichem Gebahren und irritierendem Kriechertum gespielt, will wie James sein. Er hat eine Kiste unter seinem Bett, einen Jesse-James-Schrein, voller James-Comics und James-Memorabilia. Er sucht die Nähe zum Revolverhelden, und der gewährt sie ihm. Je länger Ford jedoch mit James reitet, desto mehr benimmt sich der Jüngling wie ein verknallter Schuljunge, der aus unerfüllter Liebe zum Stalker wird …

„Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford“ als Zeitdokument

Dominiks Film ist griechisches Drama, Judas-Geschichte, Meditation und Dokument einer Zeit, die ihre allererste Medialisierung erfährt. James, der Popstar, und Ford, das Groupie, sind miteinander verwoben in den wide open spaces Amerikas, die so menschenleer daliegen, dass es schon klaustrophobisch ist. Selbst der Himmel voller Wolken ist bedrückend wie eine tiefgezogene Decke; deshalb zieht er so oft im Zeitraffer über wogende Weizenfelder und unwirtliche Schneetäler, und nur selten lässt die Sonne ihren Honig fließen. Ford, der Feigling, ist entgegen seiner Annahme nicht für Größeres geschaffen, für Ruhm oder Legende vorgesehen. Ihm bleibt nur ein Weg, sich in dieser vergesslichen Welt unvergesslich zu machen und Unsterblichkeit zu erreichen: sein Idol ermorden. Und so schießt er Jesse James in den Hinterkopf, als dieser aufreizend schutzlos ein Bild entstaubt – als blase er mit diesem Quasi-Selbstmord auch den Staub von seinem verblassenden Legendenbild, um in alle Ewigkeit Mythos zu sein. (vs)