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Das weiße Band – Eine deutsche Kindergeschichte (2009)

Das weiße Band - Eine deutsche Kindergeschichte (Poster)

Bewertung

„Muss man sehen“ kulturmovies

Filminhalt

Der Terror der Provinz

Mit „Das weiße Band“ hat Michael Haneke sein absolutes Meisterwerk geschaffen: einen beklemmenden Bericht aus der Hölle des wilhelminischen Reiches.
Ganz langsam schält sich aus dem Schwarz der dunklen Leinwand eine Landschaft mit Bäumen, in einem extrem blassen Grau zunächst, dann aber mit immer mehr Kontrast und Schärfe in klarem Schwarz-Weiß. Aus dem Off erklingt eine Stimme. Sie möchte eine Geschichte erzählen über Vorkommnisse in einem Dorf im protestantischen Norden Deutschlands. Es ist Sommer 1913, ein gutes Jahr vor Ausbruch des ersten Weltkriegs. Ein Reiter kommt auf die Kamera zu und stürzt. So beginnt der neue Film von Michael Haneke („Funny Games“, „Caché“), der bekannt ist für seine künstlerische Fixierung auf die Gewalt und deren Herleitung. „Das weiße Band“ spielt in einem kleinen Dorf des bald zusammenbrechenden wilhelminischen Reiches. Der Baron ist größter Arbeitgeber am Ort und beutet die Landwirte aus, die von ihren Erträgen alleine nicht leben können. Der Pastor setzt um, was Katharina Rutschky in den 1970ern als „Schwarze Pädagogik“ wissenschaftlich aufgearbeitet hat: das Brechen des kindlichen Willens. Der Arzt, er könnte aufgrund seines Berufes eine fortschrittliche Rolle in der Dorfgemeinschaft einnehmen, fokussiert sich ausschließlich auf sein Sexualleben, und das in einer Brutalität, die zu den erschreckenden Höhepunkten des Filmes gehören. Nur der junge Lehrer gehört bereits einer anderen Generation an, entsprechend instabil ist sein Status in der Dorfgemeinschaft.

In „Das weiße Band“ sind die Kinder Opfer der eigenen Gemeinschaft

Dass Haneke mit diesem Stoff ein so konziser und fesselnder Film gelang, liegt zum einen an den Schauspielern: Allen voran Burghart Klaussner als Pastor, Susanne Lothar in der Rolle der Hebamme und Rainer Bock als Arzt, liefert das Ensemble eine schrecklich präzise Arbeit ab. Eingefangen von einer Kamera, die komplett ohne Zoom auskommt, fügen sie einander im Namen der gesellschaftlichen und religiösen Werte Schmerzen zu, dass es dem Zuschauer weh tut. Noch ein Wort zur Kamera: Oft fand Christian Berger eine Position für sie, die lange Einstellungen durch extreme Schwenks ermöglichten. Das Resultat: Längere Einstellungen und dadurch bedingt noch intensivere Momente, denen man sich nicht entziehen kann. Den reaktionären Protestantismus kennt man aus Filmen von Ingmar Bergman, und die Vergleiche zu Haneke wurden auch längst angestellt. Doch wie die Kinder des Dorfes sich zu einem schon unheimlichen Kollektiv zusammenschließen, wie sie auf eine erschütternd emotionslose Art widerständig sind, erinnert auch an einen ganz anderen Film: an „Das Dorf der Verdammten“, in dem von Außerirdischen gezeugte Kinder die Macht über ein Dorf übernehmen. In „Das weiße Band“ sind die Kinder Opfer der eigenen Gemeinschaft – und dennoch bereits auch Täter. Der Film endet mit Kriegsausbruch 1914. 1933 werden diese Kinder erwachsen sein.
(jw)

  • Das weiße Band - Eine deutsche Kindergeschichte (Filmbild 2)
  • Das weiße Band - Eine deutsche Kindergeschichte (Filmbild 3)
  • Das weiße Band - Eine deutsche Kindergeschichte (Filmbild 4)
  • Das weiße Band - Eine deutsche Kindergeschichte (Filmbild 5)