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Babylon – Rausch der Ekstase (2021)

Babylon - Rausch der Ekstase (2021) (Poster)

Bewertung

„Sollte man sehen“ kulturmovies

Filminhalt

Als Vorbilder nennt Damien Chazelle Klassiker wie „Der Pate“ oder „La dolce Vita“. Doch so weit müssen wir gar nicht zurückgehen: Mit seinem Ensemblecast und seinem Ton, der von Drama zu Komödie zu Thriller und zurück wechselt, vor allem aber mit seinem langem Atem erinnert „Babylon“ durchaus an die gute alte Zeit – und an Nostalgiker wie Scorsese, Anderson oder Luhrmann. Die größten Gemeinsamkeiten gibt es jedoch zu Tarantinos letztem Film, und das nicht nur, weil erneut Margot Robbie und Brad Pitt in Hauptrollen zu sehen sind. Wie „Once upon a Time in Hollywood“ ist auch „Babylon“ eine Ode an Tinseltown; allerdings bekommen Pitt und vor allem Robbie, die an Tarantino verschwendet war, deutlich mehr zu tun.

Mehr ist überhaupt das Schlüsselwort: mehr Drogen, mehr Sex, mehr Exkremente. Chazelle verortet die Ära des Exzesses in der Stummfilmzeit. Seine These: Bevor die Bilder sprechen lernten, war alles wilder, freier, aufregender. Die intensivste Sequenz packt er folgerichtig an den Anfang. Sie zeigt eine ausschweifende Party in den Hollywood Hills, auf der nicht nur Kokain und Kopulation auf der Tagesordnung stehen, sondern auch ein lebender Elefant.

Hier ist neben Filmstar Jack Conrad (Pitt) auch die junge Schauspielerin Nellie LaRoy (Robbie) zu Gast, die noch nie eine Rolle hatte und nur dank Laufbursche Manny Torres (der eigentliche Hauptdarsteller Diego Calva) überhaupt reingekommen ist. Doch es dauert nicht lange, und Nellies extrovertierte Art und Schauspieltalent bringen mehr Rollen ein, als sie annehmen kann, während der in sie verliebte Manny zu einem gefragten Produzenten heranwächst. Doch die Erfindung des Tonfilms ändert nicht nur ihr Leben, sondern auch das des erfolgsverwöhnten Jack …

„Babylon“ ist Chazelles bisher teuerster Film, und das ist nicht zu übersehen. Doch so bild- und klanggewaltig wie die Eingangssequenz, in der die Kamera entfesselt zwischen nackten Leibern hindurchfährt, über Balkons kippt und in Trompetentrichter schlüpft, wird er nie wieder. Das ist kein Kritikpunkt; bei mehr als drei Stunden sind leisere Töne essenziell. Der biblische Titel könnte eine Verurteilung der Zustände suggerieren – Hollywood als gottloser Sündenpfuhl. Insbesondere Nellie, die mit Drogen ihre Probleme betäubt, hat etwas von einer warnenden Fabel. Zum Glück ist Chazelle kein Moralapostel: Für queere Frauen etwa mögen die 20er freier gewesen sein als die 30er, und die Akzeptanz von Film als „ernsthafter“ Kunst schadet Nellie, deren Unterschicht-Hintergrund nicht dazu passen will.

Vielleicht hat Chazelle eher an den Turmbau zu Babel gedacht. Ein multikulturelles Projekt, bei dem Menschen zusammenkommen, um etwas Unmögliches zu schaffen – was ist ein Film den anderes? Ob sich Armeen aus Statisten auf einem Hang versammeln, ein sturzbesoffener Brad Pitt einem geschleuderten Speer ausweicht oder ein Tontechniker in der Aufnahmebox einen Hitzeschlag bekommt – Chazelle zeigt das Filmen als bisweilen tödliches Chaos. Dass da überhaupt etwas bei rauskommt, ist ein Wunder, und als solches will der Regisseur es verstanden wissen. „Es geht nicht um dich“, erklärt eine Kritikerin spät im Film dem an seinem Abstieg verzweifelnden Brad Pitt. Hollywood ist größer als einzelne Menschen – und kann sie deshalb unsterblich machen.

Filme, die die Leinwand romantisieren, gibt es viele. Auch „Babylon“ ist mit gleich mehreren expliziten Verweisen auf „Singin’ in the Rain“ nicht immun gegen diese Nostalgie. Doch in seinen besten Momenten schafft das Epos es, mehr zu sein – nämlich die Erklärung einer Liebe, die nicht trotz, sondern wegen der Absurdität, der Hässlichkeit, der Lächerlichkeit ihres Objekts existiert. Und das ist bekanntlich die schönste Liebe von allen.

  • Babylon - Rausch der Ekstase (2021) (Filmbild 2)
  • Babylon - Rausch der Ekstase (2021) (Filmbild 3)
  • Babylon - Rausch der Ekstase (2021) (Filmbild 4)
  • Babylon - Rausch der Ekstase (2021) (Filmbild 5)