Sag nicht, wer du bist! (2013)

Mögen die in ausgedehnten Kamerafahrten eingefangenen Panoramabilder dieser agrarwirtschaftlich genutzten Landschaft auch eine karge Schönheit verströmen: Freiwillig leben möchten in der öden Tristesse der kanadischen Provinz wohl nur die wenigsten. Auch Tom (Regisseur Xavier Dolan) ist nur aus Montreal wegen der Beisetzung seines verunglückten Geliebten angereist; der Besuch bei dessen Familie wird zum Alptraum. Die Mutter (Roy) ahnt nichts von der Homosexualität ihres verstorbenen Sohnes, der hypervirile Bruder und Chef des Gutshofes (Cardinal) zwingt Tom mit subtilen bis drastischen Gewaltspielen zur Verschwiegenheit … Der 25-jährige Kanadier Xavier Dolan wird auch in seinem fünften Spielfilm als Regisseur, Drehbuchautor und Hauptdarsteller in Personalunion seinem Ruf als neuer Fassbinder und Wunderkind gerecht. Statt auf formale Spielereien setzt er in diesem kammerspielartigen Psychothriller ganz auf Suspense und jongliert souverän mit klugen Anleihen in der Film- und Literaturgeschichte von Hitchcock bis Highsmith. Ein verendetes Kalb wird da schnell zu einem Sinnbild der Bedrohung, ein Tango in einer leeren Scheune zu einem Moment erotischer Verstrickung und Offenbarung. (ascho)