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Kundun (1997)

Bewertung

„Muss man sehen“ kulturmovies

Filminhalt

Was haben Comedian Harmonists, Oscar Wilde und Heinrich Harrer gemeinsam? Ihr Leben war interessant genug, verfilmt zu werden, schien aber dennoch so kinountauglich, dass ihre amourösen Episoden aufgeblasen bzw. frei erfunden wurden, ums Publikum bei der Stange zu halten. Mit „Kundun“ (tibetanisch für ,Ozean des Wissens‘) beweist Martin Scorsese einmal mehr, dass das Medium auch komplexen Themen gerecht werden kann. Er schildert den Lebensweg Tenzin Gyatsos, der 1959, 24jährig, als Dalai Lama ins Exil nach Indien geht. Dabei bilden individuelle Biografie und tibetanische Kultur eine faszinierende Einheit. Karge Weiten und das geheimnisvoll Monumentale der Landschaft – gedreht wurde in Marokko – fungieren weniger als Kulisse; vielmehr sind sie prägender Teil des Geschehens. Was „Kundun“ noch von „Sieben Jahre in Tibet“ unterscheidet, zeigt sich beispielhaft daran, wie das Mandal in die Handlung integriert wird, ein kunstvoll aus Sand geformtes Fußbodenmosaik, in der Bedeutung etwa christlichen Altarbildern gleich. Wo Jean-Jacques Annaud platt einen chinesischen Offizier drüberlatschen läßt, entwickelt Scorsese aus seiner Erschaffung und Zerstörung mit Zeitraffer und Zeitlupe ein sinnliches Leitmotiv. Die meditative Magie der Bilder von Roger Deakins Kamera findet ihren Kontrast in der Musik des Buddhisten Phillip Glass, die „Kundun“ einen dramatischen Grundton gibt. Ein ehrfürchtiges Meisterwerk. (kr)