In ihrem Haus (2012)

Ein kleiner Voyeur steckt in uns allen. Dass darin (auch) die Faszination des Kinos liegt, hat Hitchcock mit Filmen wie „Das Fenster zum Hof“ einst brillant belegt. Den Klassiker grüßt François Ozon nicht nur in der Schlussszene seines neuen Films, denn auch „In ihrem Haus“ dreht sich um einen Spanner, den herrlich perfiden 16-jährigen Claude (Ernst Umhauer). Der erschleicht sich erst das Vertrauen von Mitschüler Rapha, dann schleicht er sich durch dessen Haus, um Raphas Familie zu beobachten. So erzählt er es zumindest seinem Lehrer Germain (Fabrice Luchini) in überspitzten Essays. Begeistert von Claudes Schreibtalent ist Germain bald jedes Mittel recht, seinen Schüler zu fördern. Im blinden Eifer durchschaut der Pauker längst nicht mehr, wie viel von Claudes Geschichte wahr ist – und der Zuschauer ebenso wenig, wenn Germain die Erzählebenen durchbricht und selbst zwischen Claudes „Figuren“ auftaucht. Gänsehautmomente gibt es für einen Thriller wenige – dennoch ist es ein ungemein spannendes Vergnügen, zuzusehen, wie Ozon seine zwei Besessenen genüsslich an ihrem Wahn zugrunde gehen lässt. (dpp)