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Grüße aus Fukushima (2016)

Grüße aus Fukushima (Poster)

Bewertung

„Sollte man sehen“ kulturmovies

Filminhalt

Vor zwei Jahren sagte Dorris Dörrie in einem Interview, dass sie am liebsten einen Film in Fukushima drehen würde. Leider sei es unmöglich, ein deutsches Filmteam zu animieren, in der Umgebung des größten atomaren GAUs seit Tschernobyl einen Film zu drehen. „Ich habe ein Projekt, eine Geschichte – nur noch niemanden, der mit mir kommt“, sagte die heute 61-jährige „Männer“-Regisseurin. Ein paar Mitkommer hat sie dann aber doch recht bald gefunden, und so konnte Dörrie ihr Projekt in Fukushima verwirklichen und ihre Geschichte erzählen, mit Jungstar Rosalie Thomass („Taxi“) in der Hauptrolle – und wie öfter schon mit ganz viel zärtlichem Respekt für die japanische Kultur und Lebensweise. Dörrie, die seit einem Festivalaufenthalt 1984 ihr Herz an das Land verloren hat, wendet sich nach dem zu großen Teilen in Japan gedrehten „Kirschblüten – Hamami“ (2008) wieder dem Umgang mit Verlust und Schmerz zu. Dabei kombiniert sie diese Themen mit der Sinnsuche des kriselnden Westlers in Fernost, die schon die Protagonisten von „Erleuchtung garantiert“ (2000) nach Japan führte. Die junge Marie (Rosalie Thomass) muss das traumatisierende Ende ihrer Liebe verknusen. Um neuen Lebensmut zu schöpfen, fliegt sie nach Japan, dort will sie Gutes tun für die Opfer der Atomkatastrophe von Fukushima und die zumeist alten Menschen in ihren Übergangssiedlungen als Clown aufheitern.

Erstkontakt mit dem Land der aufgehenden Sonne

Marie aber fehlt das Talent für diese Aufgabe und auch das innere Gleichgewicht, frustriert will sie abreisen – und trifft auf Satomi (Kaori Momoi). Die barsche alte Frau lässt sich von Marie ins Speergebiet fahren, weil sie genug hat vom Warten im provisorischen Containerdorf und zurück will in das Haus, in dem Generationen ihrer Familie gelebt haben. Marie findet hier die gesuchte Aufgabe, an der sie vielleicht selber genesen kann. Denn Satomi will das vom Tsunami zerstörte Haus wieder aufbauen – und leidet selber unter einem noch schlimmeren Trauma als Marie. Sie hat bei der Katastrophe jemanden verloren und noch nicht gelernt, mit den furchtbaren Erinnerungen umzugehen. Langsam kommen sich die große tapsige Deutsche und die knorrige ehemalige Geisha näher … Mit digitalen Kameras und in Schwarz-Weiß gedreht, erzählt Dörrie hier auch die Geschichte ihres eigenen Erstkontakts mit dem Land der aufgehenden Sonne: Rosalie Thomass stolpert mit großen und verwunderten Augen durch das fremde, faszinierende Land, langsam entwickelt sie ein Verständnis für die Sitten und Traditionen, die ihr Satomi mühsam beibringt: nicht vulgär sitzen beim Essen, richtig und achtsam die Zeremonie des Teetrinkens ausführen.

„Grüße aus Fukushima“ kommt mit fernöstlicher Weisheit

Und obwohl beide die Sprache der jeweils anderen nicht beherrschen, raufen sich Marie und Satomi doch zusammen und lernen einander schätzen. Dörrie, die nach dem Krebstod ihres Mannes 1996 zum Zen-Buddhismus fand, lässt auch einiges an fernöstlicher Weisheit in „Grüße aus Fukushima“ einfließen. So suchen die mit einer Schuld behafteten Satomi jede Nacht die Geister ihrer beim Tsunami umgekommenen Nachbarn heim. Es ist die von Satomi oft als plump verlachte Marie, die der in Aberglauben verharrenden Frau zeigt, wie man die Vergangenheit im wahrsten Sinne des Wortes absägt – um ein in die Zukunft gerichtetes Leben führen zu können.
(sb)

  • Grüße aus Fukushima (Filmbild 2)
  • Grüße aus Fukushima (Filmbild 3)
  • Grüße aus Fukushima (Filmbild 4)
  • Grüße aus Fukushima (Filmbild 5)