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Der Manchurian Kandidat (2004)

Der Manchurian Kandidat (Poster)

Bewertung

„Sollte man sehen“ kulturmovies

Filminhalt

1962 drehte John Frankenheimer einen Politthriller, in dem US-Soldaten als willenlose Agenten für die Russen fungieren. Über vierzig Jahre später ist in Jonathan Demmes Remake der Kalte Krieg vorbei. Die Feinde Amerikas müssen das System nun nicht mehr von außen infiltrieren – sie sind Teil des Systems. Der Golfkriegsheld Shaw (glatt und gut: Schreiber) steht kurz davor, Präsident der USA zu werden, unterstützt vom Lobbykonzern Manchurian Globale. Sein damaliger Captain (wie ein Augenzucken: Washington) leidet seit dem Krieg unter seltsamen Träumen und ist sicher: Die gesamte Einheit wurde damals einer Gehirnwäsche unterzogen, um Shaw als glorreichen Soldaten dastehen zu lassen. Ziel: einen von Manchurian Globale per Chip ferngesteuerten Schläfer ins Weiße Haus zu bringen, um einen Regimewechsel zu erzwingen … Eine irrwitzige Story, die keinen Bezug zu echten Personen und Ereignissen herstellen will. Die Fakten sind aber: Streep spielt eine machtgierige Hillary-Clinton-Variante, dem Wahlausgang in Florida 2000 heftet hartnäckig der Vorwurf der Manipulation pro Bush an, bestimmte Großfirmen werden bei der Auftragsvergabe im Nachkriegs-Irak bevorzugt, ihr Ex-CEO macht den Vizepräsidenten, und der gesamte Regierungsstab der Bush-Regierung ist durchsetzt mit ehemaligen Bossen mächtiger Öl-, und Pharma und Biotechnologiekonzerne.

„Der Manchurian Kandidat“ gleicht einem gehetzten Menschen

Das ist so klug an Demmes Film: Er zeigt nicht mit dem Finger auf den politischen Spielplatzrabauken wie Michael Moore. Demme tarnt seine Vorwürfe gegen eine korrupte Führungsriege als Fantasiestück, das Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen durch geschickte Abweichungen von der Realität umgeht. Die aalglatte Verschleierungs- und Nebelkerzen-Rhetorik eines Donald Rumsfeld setzt Demme in Filmsprache um: Jede visuelle oder inhaltliche Orientierung verweigert er; was eben noch Behauptung war, ist nun Fakt, was eben falsch, nun richtig. Der Film gleicht einem gehetzten Menschen, der alles nur aus dem Augenwinkel und im Vorbeirennen mit verzerrtem Blick wahrnimmt. Brisantes Kintopp, beherrscht von einem tiefen Misstrauen gegenüber dem politischen Geschäft, 120 Minuten fesselnd, aber ohne Nachhaltigkeit. Die Denkarbeit und mögliche daraus entstehende Konsequenzen muss man selber bewältigen. Puzzle legen sich auch nicht von allein zusammen. (vs)